Common Knowledge - Design in Zeiten der Informationskrise

BIO26 | Design Biennale Ljubljana zu Gast im Kunstgewerbemuseum

Ist Covid-19 Fakenews und ein Produkt von Konspirationen? Was wissen wir wirklich? Welchen Quellen vertrauen wir? In der heutigen sogenannten Wissensgesellschaft haben wir es mit manipulierten Nachrichten und alternativen Fakten zu tun. Obwohl wir Zugang zu mehr Informationen haben als jede Generation zuvor, sind wir zunehmend überfordert, wissensbasierte Entscheidungen zu treffen. Diese und andere Faktoren machen es vielen Menschen im digitalen Zeitalter schwer, ein Allgemeinwissen (Common Knowledge) zu erschaffen und zu teilen, das eine bessere, bedarfsorientiertere Handlungsgrundlage unterstützt.

 

  • Laufzeit 04.07.2020—01.11.2020

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Die BIO 26 in Ljubljana ist Europas älteste Design-Biennale. Gegründet 1963 widmete sie sich von November 2019 bis Februar 2020 dem Thema »Common Knowledge« und suchte nach Ideen, die Wege aus der aktuellen Krise der Information aufzeigen. Jetzt ist sie zu Gast im Kunstgewerbemuseum in Pillnitz und präsentiert einen Querschnitt ihrer Hauptausstellung der 26. Ausgabe des Design-Festivals und beschäftigt sich in erster Linie mit den Wechselbeziehungen zwischen multidimensionaler Informationskrise und Staatsbürgerschaft. Dabei erkundet sie die Rolle und das Potenzial des zeitgenössischen Designs bei der Gestaltung von Wissen und Wahrheit sowie bei der Rekalibrierung unserer Infosphäre.

 

© SKD, Foto: Klemens Renner
Ausstellungsansicht "Common Knowledge – Design in Zeiten der Informationskrise" Kunstgewerbemuseum, Wasserpalais, Schloss Pillnitz

Die Ausstellung im Wasserpalais i

Die Ausstellung im Wasserpalais in Schloss Pillnitz umreißt in fünf Themenräumen klassische und neue Handlungsfelder in der Gestaltung und Vermittlung von Wissen und spannt den Bogen von künstlerischer Datenverarbeitung über das Informations- und Mediendesign bis hin zu investigativen und spekulativen Designansätzen. Darunter sind großformatige Infografiken des französischen Künstlerduos Bureau d’etudes vertreten wie auch analog-digitale Interfaces des Designkollektivs Commonplace Studio.

Ausstellungsansichten

Bei dem Versuch,

Bei dem Versuch, eine zusammenfassende, nicht aber abschließende Diskussion über die Informationskrise zu führen, bediente sich das kuratorische Team dem Data-Information-Knowledge-Wisdom Diagram (DIKW) - also der Daten-Informationen-Wissen-Weisheit-Pyramide. Ursprünglich von den Informations- und Organisationstheoretiker Russell L. Ackoff entwickelt, hilft das Schaubild bei der Gliederung der Ausstellung in vier Räume, sowie einem, der sich mit der Informationskrise selbst beschäftigt. Jeder Bereich zweigt historische und zeitgenössische Arbeiten mit wesentlichen Aspekten zum Thema.

© Kunstgewerbemuseum, Studio Ljudje
Die DIWW-Pyramide nach Russel L. Ackoff

Informationskrise

Offen zugängliche Informationen sollten uns helfen, die Welt besser zu verstehen und klügere Entscheidungen zu treffen. In Wirklichkeit sind wir in einem Meer an Daten und Informationen verloren und versuchen in diesem sogenannten Daten-Smog zu navigieren und zu überleben. Die ständige Überfrachtung mit Informationen verkürzt die Aufmerksamkeitsspanne und trübt das Urteilsvermögen. Obwohl es heutzutage einen besseren Zugang zu Informationen gibt, als in jeder anderen Generation vor uns, leben wir in einem New Dark Age, einem neuen Dunklen Zeitalter, wie der Schriftsteller und Künstler James Bridle in seinem gleichnamigen Buch behauptet.

© SKD, Foto: Klemens Renner
Ausstellungsansicht "Common Knowledge – Design in Zeiten der Informationskrise"

Informationskrise II

Design kann helfen, die Augen und den Verstand der Menschen zu öffnen. Zum Beispiel indem es veranschaulicht, wie unser Leben in naher, schauriger Zukunft aussieht, wenn wir jederzeit von Drohnen überwacht werden; indem es die Machtstrukturen aufzeigt, die die öffentliche Meinung direkt beeinflussen; oder wie die Faktenlage rund um COVID-19 mehrdeutig genutzt werden kann. Es ist nicht überraschend, dass wir uns ständig überfordert fühlen.

Daten

Laut Russell L. Ackoff sind Daten Symbole, die Objekte, Menschen und Ereignisse repräsentieren. Daten können alles sein: Von zufälligen handgeschriebenen Notizen über Artefakte, die ohne Vorauswahl oder Kategorisierung gesammelt und aufbewahrt werden, bis hin zu Codes und Binärziffern. Erst die Verarbeitung verwandelt Daten in Informationen. Der Unterschied ist dabei nicht strukturell, sondern funktional und dementsprechend manipulierbar. Auf dem globalen Markt sind Daten zu einer Ware und gleichzeitig zu einer Währung geworden. Das Konzept von Big Data hat sich zu einer intrisischen und ikonischen Ressource entwickelt. Daten sind zu einem wertvollen, aber auch gefährlichen Merkmal unserer Zeit geworden.

 

Daten II

Greifbare und nicht greifbare Daten bilden den Pool, aus dem Schöpfung entsteht. Mit der Digitalisierung haben sich sowohl die datengesteuerte Produktion als auch kreatives Denken beschleunigt. Gut und böse zugleich pflanzen sich Daten schneller fort, als uns bewusst ist. Wie Giorgia Lupis Data Humanism Manifesto (Daten-Humanismus-Manifest) nahe legt, passen sich unser Verstand und unserer Körper an diese hybride Realität an, die sowohl aus physischen wie informatorischen Strukturen besteht. Eine Schöne Neue Welt muss entworfen werden!

© SKD, Foto: Klemens Renner
Ausstellungsansicht "Common Knowledge - Design in Zeiten der Informationskrise" Kunstgewerbemuseum, Wasserpalais, Schloss Pillnitz

Informationen

Informationen können als gefilterte Daten betrachtet werden, die kontextualisiert sind und denen eine Bedeutung beigefügt ist. Das lateinische Verb informare bedeutet wörtlich ‘formen, gestalten’ bzw. ‘sich etwas vorstellen’. Wissenschaftlich betrachtet, sind Informationen eine geordnete Folge von Symbolen aus einem Alphabet – also eine Art von Muster. Dieses lässt sich zur Übermittlung und Interpretation verschiedentlich codieren und darüber hinaus kann es zur sicheren Speicherung und Kommunikation verschlüsselt werden. Der Medientheoretiker Marshall McLuhan hat den Ausdruck The medium is the message geprägt (Das Medium ist die Botschaft), was bedeutet, dass Informationen durch die Art ihrer Übertragung beeinflusst sind.

Informationen II

Das führt uns zu den historischen und engen Zusammenhängen von Design und Kommunikation als Katalysatoren von Informationen. Die Infografik The 8th Sphere (die 8. Sphäre) von Bureau d’etudes gibt auf kritische Weise eine Welt operierender Systeme und Netzwerke wieder, während das Radio als Medium beispielhaft die Macht der Informationen in unterschiedlichen Regimen demonstriert. Von Hieroglyphen bis hin zu Isotypen, von Piktogrammen bis hin zu Emojis: Mit der Entwicklung des Internets wurde die Idee einer visuellen Universalsprache viral. Falls Design einen direkten Einfluss auf die Bekämpfung der Informationskrise hat, dann sind es Infografiken, UX, UI und die Mediengestaltung, deren Kernziele die Organisation und Visualisierung von Informationen sind. Neue Wege im Journalismus - und vielleicht sogar die Wiederherstellung seiner Glaubwürdigkeit liegen möglichweise im Digitalen.

© SKD, Foto: Klemens Renner
Ausstellungsansicht "Common Knowledge - Design in Zeiten der Informationskrise" Kunstgewerbemuseum, Wasserpalais, Schloss Pillnitz

Wissen

Untersuchen wir die Beziehungen zwischen Informationen und Wissen wird deutlich, dass ein Übermaß an Informationen nicht automatisch zu mehr Wissen führt. Heute erleben wir durch die Zunahme der digitalen Technologien, dass sich die Menge der verfügbaren Informationen und die Geschwindigkeit deren Verbreitung in einer Weise erhöht haben, die alle Erwartungen übersteigt. Daher erscheint es wichtig, sich daran zu erinnern, dass Informationen zwar ein Wissen generierendes Instrument sind, dass sie aber nicht das Wissen an sich sind.

Wissen II

Vor diesem Hintergrund richtet eine wachsende Zahl an Designschaffenden ihren Blick mehr und mehr in Richtung Lernen und Bildung. Bereits in der vordigitalen Ära der 1960er Jahre hat die Avantgarde mit Lern- und Bildungswerkzeugen experimentiert, die auf Methoden des neuronalen Netzes basieren, wie z.B. Ken Isaacs Knowledge Box. Während Stewart Brands
Whole Earth Catalogue den „Zugang zu Werkzeugen“ als offen zugängliches und geteiltes Wissen versprach. Heute sind die kreative Aneignung von Patenten oder die Spekulation über zukünftiges Wissen Ausgangspunkte für Designerinnen und Designer, die den Status quo infrage stellen.

© SKD, Foto: Klemens Renner
Ausstellungsansicht "Common Knowledge – Design in Zeiten der Informationskrise" Kunstgewerbemuseum, Wasserpalais, Schloss Pillnitz

Weisheit

Die Unterscheidung zwischen Daten, Informationen und Wissen bis hin zur Weisheit wird nur selten gemacht, weshalb Russell L. Ackoff die visuelle DIKW-Pyramide als Merkhilfe eingeführt hat. Obwohl die Weisheit hier den Gipfel einnimmt, muss man kein Extrembergsteiger sein, um diesen zu erreichen. Laut Ackoff geht es bei Weisheit vor allem um Werte und nicht um erhöhte Intelligenz. Sie beinhaltet die Ausübung von Urteilsvermögen und das Verfolgen von Idealen – Eigenschaften, die den Menschen von der Maschine unterscheiden.

Weisheit II

In ihrem wegweisenden Artikel The Age of Entanglement (Das Zeitalter der Verflechtung) analysiert Neri Oxman, Designerin und Professorin am MIT Media Lab, wie Wissenschaft, Design, Technik und Kunst miteinander verwoben sind und wie der Transfer von Wissen zwischen diesen Disziplinen eine kreative Energie und eine Art Weisheit hervorruft. Die ausgestellten Werke basieren auf diesem gesunden systemischen Denken und der Tatkraft aus einem gemeinschaftlichen Wissen zum Ziele der Verbesserung der Welt. Durch interkulturellen Austausch und interdisziplinäre Zusammenarbeit wird Design zum Fürsprecher für Bauern, Bürger, indigene Menschen, Tiere, Denkmäler und Natur gleichermaßen – also im Grunde für das ganze Universum.

© SKD, Foto: Klemens Renner
Ausstellungsansicht "Common Knowledge - Design in Zeiten der Informationskrise" Kunstgewerbemuseum, Wasserpalais, Schloss Pillnitz

Infografiken der BIO| 26 von Studio Ludje (2019)

Publikation

Zur Biennale BIO26 erschien die Publikation Bio 26| Common Knowledge, herausgegeben von Thomas A. Geisler, Aline Lara Rezende und dem Museum für Architektur und Design Ljubljana (MAO). ISBN 978-961-6669-57-3.

Der Katalog der 26. Design-Biennale besteht aus fünf Teilen, die dem thematischen Prinzip der Hauptausstellung folgen: Informationskrise, Daten, Information, Wissen und Weisheit.

Jede Ausgabe konzentriert sich auf ein bestimmtes Thema und enthält verschiedene Beiträge, darunter Essays, Interviews, Meinungsbeiträge, Fotoreportagen und Infografiken.

© BIO 26, Studio Ljudje
Publikation BIO26| Common Knowledge

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