Kaiserzimmer im Bergpalais von Schloss Pillnitz, 25.08.2020
© SKD, Foto: Klemens Renner

Gestaltung um 1800

Angewandte Kunst des Klassizismus in den Kaiserzimmern auf Schloss Pillnitz

Die Kaiserzimmer im Schloss Pillnitz, vielen noch als Weinlig-Zimmer bekannt, konnten 2020 nach mehrjähriger Restaurierung wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. In den geschichtsträchtigen Räumen ist die neue Dauerausstellung „Gestaltung um 1800“ zu sehen, die herausragende kunsthandwerkliche Stücke aus der Zeit des Klassizismus zeigt.

  • Öffnungszeiten aktuell geschlossen
  • Eintrittspreise regulär 12 €, ermäßigt 10 €, unter 17 frei, ab 10 Pers. 10 €

Bild 1

© SKD, Foto: Klemens Renner
Kaiserzimmer im Bergpalais von Schloss Pillnitz, 25.08.2020

Text 1 Zeit um 1800

Die Zeit um 1800 war eine spannende Zeit in Europa – gesellschaftlich, wissenschaftlich, technisch – überall standen die Zeichen auf Veränderung, Aufbruch, Fortschritt. In der angewandten Kunst führte der Weg in die Zukunft allerdings zurück in die Antike: Die Ausgrabungen in Herculaneum und Pompeij ab Mitte des 18. Jahrhunderts und die einsetzende intensive Forschung lösten eine neue Antikenbegeisterung aus. Ein entscheidender Anstoß dafür ging von Dresden aus. Johann Joachim Winckelmann (1717–1768) prägte mit seinen Schriften wie kein zweiter die Vorstellungen des deutschen Klassizismus. Nach dem organisch wachsenden, wild bizarren Formenspiel des Rokokos, bot die antike Kunst nicht nur durch ihre klare Strukturiertheit und der dem Rokoko gänzlich konträr stehenden Ornament- und Dekorwelt neue Ausgangspunkte. Nach Winckelmann hatte die griechische Kunst eine ästhetische Vollkommenheit erreicht, die es nun nachzuahmen galt.

Impressionen

Text Interieur

Die Dauerausstellung „Gestaltung um 1800“ macht diesen Geist des Klassizismus auf zwei Ebenen erfahrbar. Zum einen bilden die aufwendig restaurierten Kaiserzimmer mitsamt dem erhaltenen originalen Interieur selbst ein prachtvolles Beispiel klassizistischer Innenraumgestaltung. Allein die Fenster- und Türbekrönungen, fein proportioniert in einzelnen Feldern, verdeutlichen den Reichtum antikisierender Formensprache: Widderköpfe und Sphingen des alten Ägyptens, Szenen der griechischen und römischen Mythologie und zitathaft verwendete Ornamente wie Urnen, Maskarons, Palmetten, Lotusblüten oder Akanthuslaub sprechen ein eindeutiges Bild.

Slider Objekte

Text Objekte

Die Ausstellung nutzt dieses für die sächsische Kunstgeschichte so bedeutende frühklassizistische Interieur um auf einer zweiten Ebene verschiedene Facetten der angewandten Kunst um 1800 zu beleuchten. Das Kunstgewerbemuseum präsentiert hier herausragende Stücke klassizistischer Gestaltung aus der eigenen Sammlung, darunter Keramiken, Textilien, Glas- und Metallarbeiten, Möbel, Papiertapeten und Uhren. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den sächsischen Entwicklungen, den im Umfeld des Dresdner Hofes agierenden Akteuren und der hiesigen Handwerkskunst der Zeit. Dafür werden die Exponate des Kunstgewerbemuseums zusätzlich durch Leihgaben aus der Porzellansammlung, dem Grünen Gewölbe, dem Münzkabinett und der Skulpturensammlung ergänzt.

Text + Bild Ornament

Nach dem 1. Viertel des 19. Jahrhunderts verlor die antike Kunst ihre Vorrangstellung als Vorbild. In Vergessenheit geriet sie jedoch nie wieder. Im stilistischen Schmelztiegel des Historismus finden sich zahlreiche klassizistische Elemente, eindrucksvoll zu sehen beispielsweise in den Arbeiten des späten Karl Friedrich Schinkels (1781–1841) und Gottfried Sempers (1803–1879). Bestimmte Formen und Ornamente haben darüber hinaus bis in die Gegenwart ihren festen Platz in Design, Architektur und Kunsthandwerk. In der Ausstellung widmet sich ein eigener Raum diesem klassizistischen Nachleben.

Kaiserzimmer im Bergpalais von Schloss Pillnitz, 25.08.2020
© SKD, Foto: Klemens Renner
Kaiserzimmer im Bergpalais von Schloss Pillnitz, 25.08.2020

Text Multimediaguide

Ein Multimedia-Guide, abrufbar über das eigene Smartphone oder ein Leihgerät des Museums, begleitet in einer geführten Audiotour die Ausstellung und bietet darüber hinaus zusätzliche Informationen zu den einzelnen Exponaten. An der neuen Medienstation dürfen die Besucherinnen und Besucher selbst in den zeitgenössischen Katalogen klassizistischer Inneneinrichtungen blättern.

Monarchentreffen

Die Kaiserzimmer 

Namenspate war der Erzherzog von Österreich und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Leopold II. (1747–1792). Anlässlich der Zusammenkunft mit dem preußischen König Friedrich Wilhelm II. (1744–1797) im August 1791 bezog der Kaiser in Pillnitz für einige Tage sein Domizil. Die Gespräche sollten später als Pillnitzer Monarchentreffen in die Geschichte eingehen. Der sächsische Kurfürst Friedrich August III. (1750–1827) ließ als geehrter Gastgeber für dieses Ereignis europäischer Größe die nur wenige Monate vorher fertiggestellten Flügelbauten des Bergpalais prunkvoll ausstatten. Bereits zwei Jahre später bezeichnete das Schlossinventar die Räumlichkeiten im Westflügel als „kayserliche Zimmer“.

Johann Heinrich Schmidt, Die Monarchenzusammenkunft in Pillnitz am 25. August 1791 (Detail)
© Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Hans-Peter Klut
Johann Heinrich Schmidt, Die Monarchenzusammenkunft in Pillnitz am 25. August 1791 (Detail)

Text einziges Beispiel

Die Kaiserzimmer mit den originalen Wandvertäfelungen und Schnitzarbeiten, Spiegeln, Ofen und Kamin sind das einzige weitgehend im ursprünglichen Zustand erhaltene Beispiel frühklassizistischer Innenraumdekoration im Umkreis des Dresdner Hofes. Während der aufwendigen Restaurierung der Räume wurden in den zwei Haupträumen außerdem die Wandbespannung mit Seidenatlasgewebe in der originalen Farbgebung rekonstruiert, wodurch das ursprüngliche Gestaltungskonzept wieder deutlich erfahrbarer wird.

Bild historisch

© Landesamt für Denkmalpflege Sachsen (Bildsammlung Neg.-Nr. 26/208)
Kaiserzimmer, historische Ansicht des Zimmers mit gelber Wandvertäfelung aus den 1920er-Jahren

Text Name + SIB

Wer die Räume entworfen hat, ist archivalisch bisher nicht nachweisbar. Die aufgrund von stilistischen Analogien lange Zeit gültige Zuschreibung an und dementsprechende Benennung nach dem Architekten Christian Traugott Weinlig wird von der heutigen Forschung nicht mehr unterstützt. Auch in Anbetracht der während der Restaurierung durch den Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) erreichten Annäherung an den Zustand von 1791 wird deshalb nun der gut 180 Jahre lang gültige Name „Kaiserzimmer“ wieder gebraucht.

Leuchter

Leuchter

Als einziges Objekt ohne historischen Raum-, aber mit einem umso stärkeren stilistischen Bezug zu den Dekoren Weinligs wird in diesem Herbst eine Neuerwerbung präsentiert, die das Kunstgewerbemuseum mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung umsetzen konnte: ein frühklassizistischer Kronleuchter in Form eines Eis. Der Kronleuchter ist durch eine ausführliche Besprechung mit dazugehöriger Bildtafel in der Märzausgabe des Jahres 1800 des Journals des Luxus und der Moden als Produkt der Chursächsischen Spiegelfabrik nachgewiesen. Sowohl gestalterisch als auch technisch ist das Stück von herausragender Qualität. Seine unkonventionelle Korb- oder Eiform ist auch für die Zeit des Frühklassizismus eine große Besonderheit. Das Zusammenspiel des aus vergoldeter Bronze gearbeiteten Gestells mit dem variantenreich ausgeformten böhmischen Glasbehang ist superb und zeugt vom hohen Niveau des sächsischen Kunsthandwerks der Zeit. Insbesondere die Chursächsische Spiegelfabrik war um 1800 eine der führenden mitteleuropäischen Manufakturen für messingmontierte Glaswaren und Leuchter.

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